Bericht vom Aufenthalt im Kinderprojekt Awassa im November 2016

Pia Maria Federer, Hendrijk Guzzoni

Politische Situation & Sicherheit
Die politische Lage in Äthiopien ist weiterhin angespannt. Die gefälschten Wahlen 2015, extensives Land-grabbing, häufige entschädi-gungslose Vertreibung von Bauern, die letztjährige Hungersnot, zunehmende Korruption usw. haben für eine explosive Stimmung im Land gesorgt. Die Hungersnot ist mittlerweile überwunden, für dieses Jahr wird eine gute Ernte erwartet. Die Situation in Hawassa selbst ist absolut ruhig.


Kindercenter
Alle fünf Jugendlichen, die die 10. Klasse abgeschlossen haben, haben die nationale Prüfung bestanden. Vier gehen nun auf das Uni-Vorbereitungs-College, eine studiert Computerwesen auf dem College. Alle acht ZwölftklässlerInnen haben die nationale Prüfung bestanden, sieben gehen mittlerweile auf die Universität (dies erhöht die Gesamtzahl unserer Studierenden auf zehn!), einer macht eine Ausbildung als KFZ-Mechaniker.
Der Vorstand hat beschlossen, dass wir alle Studierenden mit einem Laptop ausstatten.
Trotz dieser sehr positiven Ergebnisse sind wir mit den schulischen Leistungen unserer Kinder nicht durchweg zufrieden. Wir werden daher zum neuen Jahr einen für schulische Ausbildung und Hausaufgabenbetreuung zuständigen Lehrer in unserem Center hauptamtlich anstellen. Damit soll die Hausaufgabenbetreuung effizienter und zielgerichteter gestaltet werden – und weniger zeitaufwändig, damit die Kinder auch Zeit zum Spielen und Relaxen haben.
Erstmals seit längerer Zeit waren wir dieses Mal mit der Situation im Center nicht rundum zufrieden. Die Kinder und Jugendlichen, die bei Verwandten oder in Wohngemeinschaften wohnen werden zu selten besucht und nicht ausreichend betreut. Einige haben sich beschwert, dass „sich niemand für sie interessiere“. Hier haben wir deutliche Kritik geäußert und eine deutliche Verbesserung der Situation der „outside-children“ angemahnt und einen monatlichen Bericht eingefordert.
Von diesem Missstand abgesehen, geht es den Kindern ausgesprochen gut. Wunderbar, wieviel Selbstorganisation und wieviel Solidarität und Fürsorge der Kinder untereinander zu beobachten ist.
Auch die Ernährungs- und gesundheitliche Situation der Kinder ist in sehr gutem Zustand. Seit Jahren hatten wir in unserem Center z.B. keinen Fall von Malaria zu beklagen.

Werkstätten
Die Ausbildungswerkstätten wachsen und gedeihen. Der IT-Bereich (mittlerweile mit College-Status) wird nächstes Jahr insgesamt 180 junge Frauen ausbilden, davon 120 in einjährigem und 60 in zweijährigem Ausbil-dungsgang. Neu ist ein 3-monatiger Ausbildungsgang zur Näherin/Textilarbeiterin. Nächstes Jahr sollen hier insgesamt 100 junge Frauen ausgebildet werden. Die Auszubildenden aus 2016 haben alle ausnahmslos eine Arbeitsstelle gefunden. Für nächstes Jahr erwarten wir eine größere Spende der Deutschen Botschaft für neue zusätzliche Nähmaschinen.

Die Bereiche Elektrik, Holz und Metall dagegen werden etwas zurückgefahren, entsprechend der Bedarfslage in der Stadt Hawassa. Die Ausbildung zum/r Solartechniker/in soll fortgeführt werden.
Eine wichtige Neuerung ist, dass unsere Werkstätten ab nächstem Jahr eine eigenständige kommerzielle Produktions- und Verkaufsabteilung haben werden, ähnlich einer deutschen gGmbH, die (mehrwertsteuerpflichtig) selbst hergestellte Produkte aus den Bereiche Holz, Metall und Solar vertreiben kann. Die Gewinne kommen dann dem Kindercenter zugute.
Insgesamt sollen nächstes Jahr 350 junge Menschen, davon über drei Viertel Frauen, in unseren Werkstätten eine Berufsausbildung machen.

Finanzen
Für nächstes Jahr haben wir im Budgetentwurf deutliche Lohnerhöhungen vorgesehen (die Inflationsrate in Äthiopien liegt immer noch bei ca. 9%), besonders in den unteren Lohngruppen. Es soll eine 5. Hausmutter eingestellt werden, die als „Springerin“ fungieren kann.
Insgesamt umfasst das Budget für 2017 ein Volumen von ca. 185.000.-€, wovon unser Förderverein 100.000.-€ aufzubringen hat.

Community Support Program
Einen wesentlichen Anteil am wachsenden Budget hat das letztes Jahr gestartete „community support program“. Hier werden vor allem arbeitslose alleinerziehende Mütter unterstützt, z. T. mit einem kleinen Startkapital für ein eigenes kleines Business. Auch die Unterstützung unserer Studierenden läuft über dieses Programm, sowie die Hilfe für andere bedürftige Personen aus dem Stadtteil, z.B. Ältere, Behinderte oder auch die Übernahme von Schulgeld oder ähnliches. Diese Abteilung unseres Projekts ist stark am Wachsen und findet bei den Behörden große Anerkennung. Gerade angesichts der kritischen Haltung der Behörden Kinderheimen gegenüber, gehen wir davon aus, dass diese Abteilung künftig einen deutlich größeren Platz in unserem Projekt einnehmen wird und langfristig zur Sicherung des Kindercenters beitragen kann.
Dennoch müssen wir auch über das Ansinnen der Stadtverwaltung Hawassa beraten, nächstes Jahr 8-10 neue Kinder aufzunehmen. Ob wir dies tun wollen, werden wir in den nächsten Wochen sowohl unter finanziellen als auch unter strategischen Gesichtspunkten im Vorstand diskutieren.

Schließlich möchten wir uns im Namen un-seres Vorstands, aber auch im Namen des Managements vor Ort - und vor allem im Auftrag unserer Kinder in Hawassa ganz, ganz herzlich für Ihre großartige Unterstützung unseres Projekts bedanken.

       Freiburg, im Dezember 2016

       Pia Maria Federer   Hendrijk Guzzoni