Bericht vom Aufenthalt im Kinderprojekt Awassa im Oktober 2015

Hendrijk Guzzoni

Dies war meine dritte Reise nach Hawassa in diesem Jahr. Und es war ein vergleichsweise ruhiges und entspanntes Jahr für unser Projekt. Die existenziellen Sorgen um die Verlängerung der Lizenz sind, zumindest für den Moment, überwunden, die Entwicklung unseres Projekts kann in Ruhe weiterverfolgt werden. (Nur) ein bißchen getrübt wird diese positive Stimmung durch die hohe (zweistellige) Inflationsrate und die gesunkenen Finanzbeiträge des Chicagoer Fördervereins. Ein kleiner Überblick über die Situation:



Werkstätten
Geradezu „erschreckend“ schnell wächst unser Ausbildungszentrum: Nächstes Jahr werden wir 230 Auszubildende haben, ca. 80 davon allein im IT-Bereich, der ausschließlich Frauen vorbehalten ist.
Im Sommer konnten wir einen neuen Werk-stattleiter einstellen, der einen sehr engagierten und kompetenten Eindruck hinterlässt.
Und wir konnten dieses Jahr unsere neue Solaranlage in Betrieb nehmen. Mittlerweile 24 Solarpaneele versorgen nun weitestgehend das gesamte Center mit Solarstrom. Nur die Küchenherde für das Injera und einige wenige Maschinen in den Werkstätten sind noch an die öffentliche Stromversorgung angeschlossen.
Der nächste Schritt soll nun sein, eine reguläre einjährige Ausbildung in Solartechnik anzubieten.

Kinder
Im Oktober haben wir wieder 8 neue Kinder im Alter zwischen 2 ½ und 7 Jahren zugewiesen bekommen. Damit betreuen wir insge-samt 100 Kinder und Jugendliche, wovon derzeit 53 im Center leben. Es war total faszi-nierned zu erleben, wie die Neuankömmlinge innerhalb weniger Tage ins Center, in die Gemeinschaft integriert wurden. Und mit wieviel Liebe und Fürsorge sich unsere Kinder um die Neuen gekümmert haben.
Der vor anderthalb Jahren von den älteren Kindern gegründete Verein „Abro adege“ („gemeinsam aufgewachsen“) hat sich gut entwickelt. Es ist schön zu sehen, wie ernsthaft und solidarisch die jungen Menschen sich austauschen, diskutieren, ihre Positionen vertreten, aber auch sich gegenseitig helfen. Letztes Jahr ist die Hütte eines unserer Kinder völlig abgebrannt – abro adege hat sofort eine Hilfsaktion für neue Kleider, Bettwäsche, Schulsachen etc. gestartet. Auch die jüngeren Kinder, die noch im Center leben, zeigen großes Interesse am Verein. Und es kam von ihnen auch der Wunsch, einmal die historisch-kulturellen Stätten in Äthiopiens Norden besuchen zu können, so wie wir es vor vier Jahren bereits einmal organisieren konnten. Wir werden versuchen, dies in absehbarer Zeit auch für die „nächste Generation“ zu ermöglichen.

Von den Kindern bin ich beauftragt worden, einen Wunsch zu äußern: wenn Sie Ihrem Patenkind mal ein kleines Briefchen mit einem Photo von Ihnen schicken (oder einem Vorstandsmitglied, das nach Hawassa reist, mitgeben) machen Sie unseren Kindern eine wirklich große Freude. Der Bezug zu ihren Paten ist für viele unserer Kinder emotional ganz wichtig. Und dazu gehört, sich vom Paten, von der Patin, von dem Menschen, der im fernen Europa für sie sorgt, ein Bild machen zu können.
Ein kleines Photo ist ein richtig großes Geschenk!

SchuleMit großer Freude konnten wir registrieren, dass dieses Jahr alle unsere Kinder die nationalen Prüfungen nach der 8. und nach der 10. Klasse, sowie zum Ende des Colleges bestanden haben. Eines unserer Kinder ist allerdings zum zweitenmal nach der 9. Klasse durchgefallen und muss die Schule verlassen.
Drei Jugendliche aus unserem Center haben im Oktober ein Studium aufnehmen können. Wir werden sie auch während ihres Studiums weiterhin unterstützen. Und wir sind ganz stolz, dass wir nun auch unsere erste weibliche Hochschulabsolventin haben, Sadiya hat ihr Soziologiestudium mit großem Erfolg abgeschlossen.
Auf diesem Weg wollen wir weitergehen und noch mehr Wert auf gute schulische Leistungen legen. Mit Beginn des neuen Schuljahres bieten wir auch für die älteren, „auswärtigen“ Kinder an vier Tagen die Woche Tutorials an, um die schulischen Leistungen zu stabilisieren.
Seitens des Freiburger Vereins starten wir eine Spendenaktion für neue Schulranzen für unsere Kinder.

Family & Community Supprt ProgramEine wesentliche Neuerung gibt es aus Hawassa von unserem Projekt zu vermelden: nach dem Kinderheim und den Werkstätten haben wir dieses Jar als drittes „Standbein“ ein „family und community support program“ gestartet. In diesem Programm werden einerseits Familienangehörige unserer Kinder gefördert und unterstützt, z.B. mit einem Mietkostenzuschuss, mit medizinischer Betreuung oder mit einem Kleinkredit für eine Ausbildung oder einen eigenen kleinen Laden.
Außerdem unterstützen wir knapp zehn alleinerziehende Mütter mit jeweils mehreren Kindern in sozialer Not. Bedingung für die Unterstützung ist der Vezicht auf Betteln und dass die Kinder in die Schule geschickt werden, die Übernahme des Schulgelds ist Teil der Unterstützung. Dieses Programm wird von den Behörden sehr positiv gesehen und macht uns sehr zuversichtlich in Bezug auf die Verlägerung unserer Lizenz.

Im Namen des gesamten Vorstands unseres Förderverein, im Namen der Angestellten des Hawassa Childrens Center und – ganz ausdrücklich – im Namen unserer Kinder möchte ich mich ganz herzlich für Ihre wundervolle Unterstützung bedanken.

Salaam
Freiburg, den 6.12. 2015

Hendrijk Guzzoni